Im Frühjahr 2020 bestimmte ein Thema Tag für Tag die Schlagzeilen der zahlreichen Medien: die Ausbreitung des Corona-Virus. Am 3. März hatte es schließlich auch MV erreicht. Die Diskussionen um eine mögliche Unterbrechung, ja sogar einen kompletten Abbruch der Fußball-Saison, nahmen immer weiter Fahrt auf. Es war eine surreale Situation. Plötzlich wurden alle mit einer Pandemie konfrontiert, die den Alltag immer mehr bestimmte. Auch der FC Hansa blickte mit Sorgenfalten auf die damaligen Entwicklungen. Man wollte die Gesundheit der Zuschauer nicht gefährden. Gleichzeitig hoffte man, dass das Spielen mit Fans noch so lange wie möglich von der Politik genehmigt werden würde – für Hansa als wirtschaftliches Unternehmen ein schmaler Grat.
Während das Fußball-Wochenende Anfang März noch halbwegs normal über die Bühne gebracht wurde, beriet man sich in den Gesundheitsämtern bereits am Montag über das weitere Vorgehen. Gerüchte kamen auf, dass das Spiel gegen Braunschweig bereits abgesagt werden soll. Doch unter Auflagen (u. a. Desinfektion und Hygieneempfehlungen am Stadioneingang) gab es grünes Licht für die mit Spannung erwartete Partie. Da die Tabellenkonstellation der oberen Hälfte in der Saison 19/20 so unfassbar eng war, konnte jeder eingefahrene Dreier entscheidend sein für den weiteren Verlauf der Saison. Hansa lag in Lauerstellung. Braunschweig wollte davonziehen.
Flutlichtausfall
Unter Flutlicht begann das Spiel also unter diesen besonderen Umständen. Doch nach nicht einmal 2 Minuten machte das besagte Flutlicht erstmal Pause. Es wurde dunkel. Richtig dunkel. Von einer auf die nächste Sekunde schauten die Spieler auf dem Platz fragwürdig nach oben. Auch ich staunte nicht schlecht und schaltete die Taschenlampe meines Handys ein. Daraufhin unterbrach das Schiedsrichtergespann die Partie. Gelächter bei den Fans machte sich breit. Ein wirklich merkwürdiger Beginn.
Turbo(re)start
Ganze 20 Minuten tat sich nichts. Dann, ganz allmählich, fuhren die Scheinwerfer wieder hoch. Zeitgleich fing es an wie aus Kübeln zu regnen. War das das endgültige Zeichen, dass ich doch hätte lieber zu Hause bleiben sollen? Nach insgesamt einer halben Stunde betraten die Spieler beider Mannschaften wieder das grüne Geläuf. Noch ein prüfender Blick nach oben. Und dann ging es endlich weiter, in der ständigen Hoffnung, dass die Flutlichtmasten nicht nochmal schlapp machen würden. Ich war noch gar nicht richtig auf den Wiederbeginn fokussiert, da kam die Kogge sofort gefährlich in den Strafraum und machte mit der ersten Chance – Sekunden nach Wiederbeginn (!) – das 1:0 in Person von John Verhoek. Ein wirklich merkwürdiger Abend, der sich in etwa so fortsetzen sollte.
Kurze Zeit später ließ ich meinen Blick auf die Südtribüne schweifen. Dort war ein Banner zu erkennen, auf dem stand: „Montags hat nicht mal das Flutlicht Block!“ Ich konnte mir das Grinsen ehrlich gesagt nicht ganz verkneifen. Belassen wir es beim Stromausfall. Und Hansa? Die Kogge spielte an diesem Abend wie aus einem Guss. Erspielte sich Chance um Chance. Und führte bereits nach etwa 15 Minuten mit 2:0, weil die Braunschweiger sich nur Geleitschutz als Aufgabe gemacht hatten. Die Bälle flogen den Löwen nur so um die Ohren. Selbst Freistöße kamen gefährlich und klatschten mal ans Gebälk, mal knapp drüber.
Zauberfußball
Braunschweig war völlig von der Rolle und ich schaute auch teilweise ungläubig auf das Spielfeld, da ich selten so einen einseitigen Auftritt erleben durfte. Bei jeder Ballaktion in der nähe des Strafraums wurde es gefährlich. Das änderte sich auch nicht in der 2. Hälfte. Dabei wurde die Braunschweiger Hintermannschaft öfter im Strafraum getunnelt als in einer ganzen Saison. Ein wirklicher surrealer und merkwürdiger Abend. Die Kogge bot einen absolut zweitligareifen Fußball an, während vom Gegner so gut wie nichts kam. Am Ende schnürte Verhoek seinen Doppelpack nach einer Traumkombination, wo die in ungewöhnlich schwarz gekleidete Gäste abermals einen großen Anteil hatten und sich bereitwillig zweimal tunneln ließen. Ein hochverdientes 3:0 stand am Ende auf der Anzeigetafel. Es war mit Abstand die beste Saisonleistung, die jedoch am Ende nicht mit dem Aufstieg belohnt werden sollte.
Kurz danach stand der Fußball in Deutschland und in vielen Ländern still und rückte rasch in den Hintergrund. Es sollte das letzte Profispiel für längere Zeit gewesen sein. Corona hatte Europa, die Welt, fest im Griff. Aus der Jubeleuphorie wurde eine unbekannte Stille in nahezu jeder Ecke. Aus einem merkwürdigen Abend wurde ein merkwürdiges Jahr, geprägt von schlimmen Bildern und Geschichten, die bis heute unter die Haut gehen.