Abermals formulierte das Trainerteam die Ziele vor der ‚verflixten‘ zweiten Saison – verständlicherweise – eher demütig. Der Klassenerhalt bleibt das vorrangige Ziel. Und, sofern das Momentum es zulässt, wäre eine leichte Verbesserung im Vergleich zur Vorsaison (Platz 13) ein schönes Detail. Doch aktuell sollte lieber der Fokus auf Erstgenanntem gerichtet sein.
Fehlende Durchschlagskraft
Schauen wir zunächst auf die nackten Zahlen. Der Koggenclub findet sich nach elf gespielten Spielen im absoluten Mittelfeld der Tabelle wieder – auf Rang 10. Der Tabellenplatz zeigt auch die aktuelle Torausbeute an, die ebenfalls bei 10 liegt. Damit hat Hansa aktuell die zweitschlechteste Offensive vorzuweisen. Nur Regensburg ist mit 9 erfolgreichen Abschlüssen vor dem Tor noch harmloser. Auch die Defensive zeigt sich mit 17 Gegentoren durchaus anfällig, aber im Ligavergleich noch nicht besorgniserregend. Somit wird hierbei Hansas‘ Hauptproblem in der bisherigen Saison deutlich: die fehlende Durchschlagskraft im und kurz vor dem gegnerischen Strafraum.
Torgefährlichster, und damit gleichzeitig der Königs-Transfer der Ostseestädter, ist Kai Pröger mit 4 Toren und drei Vorlagen. Der quirlige Neuzugang aus Paderborn macht mit seiner Geschwindigkeit und Unberechenbarkeit vorne ordentlich Betrieb – aber eben nur er. Dass Hansa sich mit dem Toreschießen so schwertut, mag u. a. auch damit zusammenhängen, dass Stürmer John Verhoek – im letzten Jahr noch mit 17 Toren mit Abstand bester Torjäger – einfach nicht in Fahrt kommt und nur ein Tor bisher für sich verbuchen kann. Sein spektakuläres Fallrückzieher-Tor zum 2:0 am 5. Spieltag gegen den Hamburger Stadtteilverein kann jedoch als Höhepunkt der bisherigen Saison angesehen werden. Ausgerechnet in diesem prestigeträchtigen Spiel hat Hansa gezeigt, dass schöner und schnörkelloser Offensivfußball Teil der Härtel-DNA sein kann. Doch sind solche dominanten Auftritte, in denen Hansa im letzten Drittel effektiv agiert und in der Abwehr kaum etwas zulässt, bisher eher eine Seltenheit.
Auswärtsmisere
Eine weitere Auffälligkeit sind die zum Teil besonders schwachen Auswärtsauftritte der Kogge. Was in der letzten Saison noch – zum Erstaunen vieler Anhänger – eine der großen Stärken gewesen ist, entpuppt sich in dieser Saison als eine nicht zu übersehene Problematik. Diese Harmlosigkeit hat sich besonders gegen die zwei Heim- und offensivstarken Mannschaften Darmstadt (0:4) und Düsseldorf (1:3) gezeigt, wo man im wahrsten Sinne des Wortes so gut wie chancenlos blieb. Natürlich sollte man als Hansa-Fan durchaus wissen, dass man gegen solche ambitionierten Mannschaften von unserer Kogge kein Offensiv-Feuerwerk erwarten darf. Aber etwas mehr Gegenwehr sollte auch gegen solche Mannschaften schon drin sein. Auch in Karlsruhe (0:2) war man mit der Höhe des Ergebnisses noch gut bedient.
Dabei bereiten vor allem die 1. Halbzeit Trainer Jens Härtel und den Fans Kopfzerbrechen, in welcher die gegnerischen Teams die Kogge zeitweise hinten einschnüren. Insbesondere bei Auswärtsspielen hat man als Zuschauer den Eindruck, dass die Mannschaft erst in der 2. Hälfte anfängt Fußball zu spielen. Das Problem dabei: Meistens liegt Hansa zu diesem Zeitpunkt schon zurück und Comeback-Qualitäten, die vor allem in der Aufstiegssaison die Härtel-Elf noch auszeichneten, sind bisweilen eine Rarität. Die drei geschossenen Tore auf fremden Plätzen verdeutlichen dies besonders. Immerhin konnte gegen Kiel (1:1) ein Rückstand noch kurz vor Schluss aufgeholt werden. Vor allem aber positiv herauszuheben ist der Auftritt am 2. Spieltag beim HSV. Dort war man über weite Strecken die viel bessere Mannschaft, spielte sich Chancen en masse heraus und konnte sich in der Nachspielzeit zum viel umjubelten Siegtreffer belohnen. Hier zeigte die Kogge mal, dass sie die spielerischen Qualitäten besitzen, auch große Aufstiegsfavoriten durchaus ärgern zu können. Darauf kann man aufbauen.
Spielerische Qualität bei Heimspielen
Ein anderes Gesicht konnte man, wie schon angeklungen, im heimischen Ostseestadion präsentieren. 3 Spiele wurden bereits für sich entschieden. Für einen Verein, der um den Klassenerhalt spielt, ist das eine absolut solide Leistung. Vor allem die Siege gegen St. Pauli und Bielefeld (2:1) waren hochverdient. Gegen Magdeburg (3:1) waren am Ende der Chancenwucher der Gäste und die eigene Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor ausschlaggebend für den dritten Heimsieg. Die deutliche Niederlage vor ein paar Tagen zu Hause gegen Paderborn trübt die Heim-Statistik allerdings ein wenig. Dennoch kann man Hansa vor dem heimischen Publikum wenig Vorwürfe machen. Einsatz, Wille, Leidenschaft und die Bereitschaft attraktiven Fußball zu spielen, sind der Hansa-Elf überhaupt nicht abzusprechen. Einzig und allein die mangelnde Chancenverwertung, insbesondere beim Spiel gegen Hannover 96 (0:1), muss sich das Team vorwerfen lassen.

Neuzugänge – Überraschungen und Enttäuschungen
Wie schon erwähnt, ist Kai Pröger bei der Kogge voll angekommen und tut der Mannschaft mit seinen fußballerischen und charakterlichen Qualitäten sehr gut. Hansa muss allerdings aufpassen, von ihm nicht allzu sehr abhängig zu werden. Wenn er mal längerfristig verletzungsbedingt ausfallen sollte, reißt das – in der aktuellen Situation – eine relativ große Lücke in das Mannschaftsgefüge.
Ebenfalls Dauerbrenner ist der vom TSV 1860 München verpflichtete Sechser Dennis Dressel, der bisher in jedem Spiel von Härtel in die Startelf beordert wurde. Er ist umtriebig, hat das Auge für den mitlaufenden Spieler und strahlt, vor allem neben Rhein, eine gewisse Ruhe aus. Seine Fernschüsse sind zum Teil brandgefährlich, jedoch noch nicht von Erfolg gekrönt. Zudem konnte der ebenfalls aus Paderborn gekommene Außenverteidiger Frederic Ananou auch auf seine Qualitäten aufmerksam machen. Sein temporeiches und trickreiches Spiel über die Außen bringt ordentlich Wind in die Segel der Kogge. Große Hoffnungen liegen außerdem auf den am Deadline-Day verpflichteten Dong-Gyeong Lee, der einen ähnlichen Spielstil wie Pröger aufweisen kann und beide in Zukunft gut miteinander harmonieren könnten. Von nahezu allen Fans als absoluter Hammer-Transfer angepriesen, wird der luxemburgische Nationalspieler Sébastien Thill den Erwartungen hingegen nicht gerecht (Thotillausfall? – Meinung am Mittwoch). Seit seiner frühen Verletzung beim Saisonauftakt gegen Heidenheim (0:1) kommt der offensive Mittelfeldspieler einfach nicht richtig in den Tritt und spielt bisher alles andere als ‚championsleaguereif‘.
Ebenfalls enttäuscht bzw. kaum von Härtel beachtet, ist John-Patrick Strauß. Der Rechtsverteidiger sollte Rizzuto mindestens gleichwertig ersetzen. Da jedoch Härtel vorrangig mit 3er Kette spielen lässt und die Konkurrenz um Fröde, Roßbach, van Drongelen, Ananou oder Malone einfach zu groß ist, muss sich der philippinische Nationalspieler vorerst hintenanstellen. Auch der aus Dresden gekommene Schröter zeigt bisweilen nur mäßige Auftritte und fungiert aktuell allerhöchstens als Einwechselspieler. Bei Stürmer Hinterseer, der von Ligakonkurrent Hannover 96 kam, ist eine Leistungssteigerung zu erkennen. Einmal war er bereits erfolgreich, jedoch verliert er immer noch zu viele Bälle und seine Pässe sind manchmal etwas ungenau terminiert.
Fazit
Hansa ist, trotz vieler angesprochener Probleme, punktetechnisch noch voll im Soll. Ein wenig mehr Konstanz würde dem Verein aber auf jeden Fall guttun. Man sollte nicht in Panik verfallen, wenn die zukünftigen Ergebnisse den Erwartungen etwas hinterherlaufen. Man sollte aber auch auf die Baustellen aufmerksam machen und diese nicht allzu schönreden. Weiterhin muss zwingend an Härtel festgehalten werden. Wir wissen, wo wir herkommen und was wir an ihm haben und garantiert noch von ihm haben werden. Der Klassenerhalt zählt. Nichts anderes. Gerade in dieser verflixten zweiten Saison.