Stefanie ist Mitarbeiterin an der Universität Rostock und schon lange dem FC Hansa treu. Vor allem in den 90er Jahren erlebte sie epische Fußballschlachten im altehrwürdigen Ostseestadion. Fußball und Literatur sind ihre absolute Leidenschaften. Würfelt man diese zusammen: Jackpot!
Sie sind schon seit einigen Jahren direkt beim FC Hansa Rostock aktiv und gehören somit zum ‚inneren‘ Kreis der Hansa-Familie. Mit welchen Aufgaben und Tätigkeiten wurden sie bisher im Verein eingebunden?
Das mit der Hansa-Familie passt so nicht ganz, das wird im Verein strikt getrennt. Es gibt das Personal, das direkt bei Hansa, also dem Verein angestellt ist (Ticketing, Vermarktung usw.), und es gibt den vereinseigenen Ordnungsdienst, also meine Kolleginnen und Kollegen und mich, die als Ordner bei den Spielen des F.C. Hansa Rostock arbeiten (Anm.: da gibt es dann auch noch ABS als Firma, aber das führt hier zu weit). Ich gehöre also zu einer anderen Hansa-Familie, dem Ordnungsdienst.
Seitdem ich dort arbeite, habe ich auf der anderen Seite (also nicht als Fan) schon einiges mitgemacht: 9:0-Heimsiege, ein Benefizspiel gegen den FC Bayern mit deren neuem Trainer Pep Guardiola, Aufstiege und Abstiege, knappe Klassenerhalte, plötzliche Trainerentlassungen (wie Christian Brand oder Jens Härtel); ich war mehrmals dabei, als versucht wurde, das Stadion über den VIP-Bereich zu stürmen und habe auch ein paar seltsame Spiele zu Corona-Zeiten erlebt, als außer den Spielern, den Funktionsteams, dem Vorstand, engste Mitarbeiter der Vereine und ein paar Ordner niemand ins Stadion durfte…
Sie hatten an der Uni Rostock in diesem Sommersemester eine Veranstaltung angeboten, wo Sie, gemeinsam mit Studierenden, Fußball als Erzählprosa auf literaturwissenschaftlicher Ebene untersucht haben. Was hat Sie dazu bewegt, Ihre beiden Leidenschaften, Literatur und Fußball, thematisch miteinander zu verbinden?
Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass ich da wohl von alleine nicht drauf gekommen wäre, weil ich darüber tatsächlich nie aktiv nachgedacht habe – obwohl ich einiges an passender Literatur im Bücherschrank stehen habe…Der Impuls kam vom Verein www.projekte.art, die in Rostock ein Literaturfestival zum Thema Fußball & Literatur (und ein bisschen Kunst & Musik) organisieren wollten und auf der Suche nach Mitstreitern waren. Ich hatte geplant, mich dort mit einem Beitrag zu beteiligen. Weil ich im Sommersemester ein thematisches Seminar anbieten musste, wollte ich Festival- und Seminarvorbereitung verbinden und dachte, ich entwickle das gemeinsam mit Studierenden. In der Vorbereitung habe ich dann erst realisiert, wieviel es zum Thema eigentlich schon gibt und wieviel sich da tatsächlich für die literaturwissenschaftliche Beschäftigung rausholen ließe.


Wenn Sie eine Biographie schreiben würden: Über welche Person im Sport würden Sie dies gerne tun und warum?
Ich habe schon immer große Sympathien für die Personen, ohne die es einfach nicht gehen würde – aber die man selten bis nie sieht, die nicht so unbedingt im Rampenlicht stehen, aber still und leise ihre Arbeit machen und so den Betrieb am Laufen halten. Einige Vereine haben ja so Kultpersonen in ihren Reihen, wie den Stadionsprecher oder den Busfahrer oder den Mannschaftsarzt. Bei Hansa fände ich persönlich den Zeugwart Andy Thiem oder auch den langjährigen Busfahrer Heiko Aschenbrenner unter diesem Gesichtspunkt spannend. Unabhängig vom Fußball fände ich es spannend, eine Biographie über jemanden zu verfassen, der in seiner Sportart sehr erfolgreich und anerkannt ist, über die oder den man aber nichts weiß, weil die Sportart nicht so beachtet wird.

Welche Erinnerungen haben Sie noch von Ihrem ersten Hansa-Spiel, was Sie live im Stadion mitverfolgt haben?
Das war noch im alten Ostseestadion. Mein Vater ist damals mit seinen Kollegen ab und an zu Spielen gefahren und er hat mich dann mal mitgenommen. Ich weiß nicht, wie alt ich gewesen bin, Grundschulkind würde ich vermuten. Meine Erinnerungen verschwimmen etwas mit anderen Stadionbesuchen, aber welche Bilder sich sehe: Wir sind vor dem Spiel in der „Hansa-Klause“, damals noch in der Schillingallee, eingekehrt. Heute ist dort ein Sushi-Restaurant, aber ich glaube, das war mal die Hansa-Kultkneipe. Da war richtig gute Stimmung: überall Menschen/Männer mit Schals und Kutten und es wurde gegrölt und geklatscht und gesungen und vermutlich auch getrunken und geraucht und wir waren mittendrin.
Von dort sind wir dann an der Eishalle vorbei ins Stadion. Man musste eine kleine Anhöhe hochlaufen und es gab keine festen Plätze: Man saß oder stand, wo Platz war. In meiner Erinnerung standen alle. Wir haben ganz oben gestanden und mein Vater hat mich auf die hüfthohe Brüstung gesetzt, damit ich gut gucken konnte. Es gab nacheinander mehrere Laola-Wellen und das ganze Stadion hat mitgemacht. Zum Ende des Spiels bin ich nach unten an den Zaun gelaufen und habe meine Hand durchgesteckt, weil dort alle Spieler nacheinander vorbeigelaufen sind, um abzuklatschen. Diese Stimmung und die Atmosphäre haben mich infiziert, ich wollte dann immer wieder mit zum Fußball fahren.

Hansa vor dem TV-Bildschirm zu verfolgen, kann meistens auch eine Qual sein. Haben Sie die Ruhe weg oder können Sie manchmal auch nicht mehr hinsehen?
In den Saisons und den Spielen, in denen es um etwas geht – also eigentlich immer – ist es für mich tatsächlich eine Qual. Ich kann es dann nur schwer aushalten, 90 Minuten nur zu gucken und ruhig auf der Couch zu sitzen und still zu sein und nicht zu kommentieren. Schlimmer ist es nur mit meinem Vater Hansa zu gucken 😊
Es gab aber auch schon Spiele – wenige und noch zu Drittligazeiten –, da hat mich der Reportersingsang so eingelullt, dass ich ganz ruhig war beim Zugucken.
Die Kogge steckt momentan mitten in der Vorbereitung. Welche Eindrücke haben Sie von der Mannschaft, insbesondere von den Neuzugängen?
Um ehrlich zu sein, habe ich kein einziges Vorbereitungsspiel gesehen, sondern das Geschehen mehr oder weniger nur über den Instagram-Kanal des Vereins verfolgt. Ich beschäftige mich schon seit Jahren nicht mehr intensiv mit den Spielern, die so auf dem Markt sind, darum sind die neuen Spieler und ist die aktuelle Mannschaft für mich über das hinaus, was man so an Nachberichten und Spielerporträts liest, momentan noch ein wenig eine Wundertüte. Die Vorbereitung hätte ergebnistechnisch besser, aber auch wesentlich schlechter laufen können, von daher habe ich mir vorgenommen, unvoreingenommen in die neue Saison zu gehen.
Ich kann allerdings nicht verhehlen, dass ich recht froh bin, dass unser Captain America wieder zurück an Bord der Kogge ist. Als er das letzte Mal bei Hansa gespielt hat, war die Abwehr unser geringstes Problem und das beruhigt doch ungemein, wenn man hansatypisch keine Tore am laufenden Band schießt.

‚John Verhoek spielt berechtigterweise keine Rolle mehr im Hansa-Kader‘ – Wie stehen Sie zu dieser Aussage?
Ich teile diese Meinung. In der letzten Saison hat Verhoek nicht das gebracht, was man von einem Stürmer erwartet. Zwei Tore und zwei Mal gelb-rot sind aus meiner Sicht keine guten Argumente, wenn die Torausbeute so gering ist wie bei Hansa Rostock. Schade ist natürlich, dass jemand nun den Verein verlassen hat, der für die Stimmung in der Mannschaft sehr wichtig war und so viel Erfahrung mitgebracht hat, aber es wird auch in der kommenden Saison drauf ankommen, dass wir mehr Tore schießen als wir hinten rein bekommen und da drängt sich Verhoek – und übrigens aus meiner Sicht auch nicht Pascal Breier – nicht unbedingt auf.
Welche Neuerungen bzw. Veränderungen würden Sie im Verein gern umsetzen, wenn Sie drei Wünsche freihätten?
Grundsätzlich bin ich zufrieden und möchte mir nicht anmaßen, in Sachen Vereinsführung etwas besser zu wissen oder zu können. Was ich mir aber wünschen würde: Transparent kommunizieren, in welche Projekte und Maßnahmen konkret das Geld fließt, das wir im Zuge der Geldstrafen durch den DFB nach Fehlverhalten (Pyro oder dergleichen) in Prävention und dergleichen stecken sollen und dürfen. Und ich würde mir wünschen, dass es im Stadion einen Bereich gibt, in dem die Geschichte des Vereins ausgestellt wird und/oder es Wechselausstellungen gibt zu Themen, die mit Hansa oder dem Fußball oder Ähnlichem zu tun haben.
Letzte Frage: Lieber ein wildes 5:4 oder ein knappes 1:0 beim ersten Spiel zu Hause gegen Nürnberg?
Ich wäre tatsächlich für einen furiosen Saisonstart und das 5:4, statt einem müden 1:0, um gleich wieder auf Betriebstemperatur zu kommen. 5 eigene Tore in einem Heimspiel, was will man mehr?
Herzlichen Dank für das Interview, Stefanie!