Hinspiel
Dass das Hinspiel gegen den Jahn einer der entspanntesten und abgeklärtesten Auftritte der bisherigen Saison sein würde, damit hätte wohl kaum jemand gerechnet. Insbesondere nach der enttäuschenden Heimniederlage eine Woche zuvor im heimischen Stadion gegen Kaiserslautern. Mit 3:0 schossen sich unsere Schützlinge gegen die Mannen aus Bayern den Frust von der Seele – und retteten (vorerst!) den Job von Aufstiegstrainer Jens Härtel. Das Spiel bleibt in positiven Erinnerungen und sollte dementsprechend auch als gutes Omen gelten. Doch allein das Hinspiel deutet an, dass die Abwehrreihen in den vergangenen Aufeinandertreffen, zumeist auch auf beiden Seiten, alles andere als sattelfest agierten und Torjubel vorprogrammiert waren.

Die erste Begegnung: ein Augenschmaus
Am Samstag findet übrigens das erst 13. Aufeinandertreffen der beiden Klubs, wettbewerbsübergreifend, statt. Man könnte meinen, bei diesen bisherigen Krimis hätten sich die Wege bereits zig Mal gekreuzt. Die 47 Tore in den bisherigen Spielen zwischen der Kogge und den Rothosen müssten normalerweise auf eine beachtliche Historie hindeuten. Doch der Schein trügt. Die Gründe: Nahezu alle 12 Begegnungen waren eine absolute Achterbahnfahrt oder geprägt von zahlreichen Toren auf einer Seite. So wie die erste Partie: Am 27. November 2010 kamen die Regensburger gegen Schied, Ziegenbein und Co. aber mal sowas von unter die Räder und hatten Glück, dass es am Ende nur 0:5 hieß. Die Rostocker spielten sich unter Spielführer Björn Ziegenbein in einen regelrechten Rausch und beendeten das Spiel mit einer Traumkombination, bei welcher Ex-Kapitän Sebastian Pelzer überragend mitspielte und den Ball zuckersüß in den Strafraum legte – mundgerecht für den offensiven Mittelfeldmann.
13 Minuten Powerfußball
Kurze Quizfrage so für zwischendurch: Gegen welchen Drittligaverein führte die Kogge bereits nach handgestoppten 13 Minuten mit 3:0?
A: FC Bayern München 😀
B: SV Fortuna Regensburg
C: SSV Jahn Regensburg
Die Antwort erübrigt sich. Tatsächlich vollbrachte Hansa diesen Coup im Jahr 2013 unter der Regie von Andreas Bergmann. Die damaligen Torschützen: Steven Ruprecht (5.) und Nikolaos Ioannidis (10., 13.). Ich kann mich nicht erinnern, wann die Kogge das letzte Mal so sehr in der Anfangsphase aufs Gaspedal gedrückt hat. Nach noch nicht einmal einer Viertelstunde war das Spiel durch, und es hätte noch viel deutlicher ausfallen können. Am Ende hieß es ‘nur’ 4:2 für die Ostseestädter, die in der Abwehr nochmal gehörig ins Wanken kamen und mehrere Großchancen in der zweiten Hälfte zuließen. Abwehr? Egal! Die Bolzplatzromantik war vorherrschend und gefiel den knapp 9000 Fans (kaum vorstellbare Zuschauerzahl im Vergleich zu heute).
Ein 4:4 für die Ewigkeit
Jeder eingefleischte Hansa weiß sofort, welches Spiel hier gemeint ist. Damals saß ich bedröppelt vor dem Fernseher und musste mit ansehen, wie Hansa eine 2:1 Führung noch komplett aus der Hand gab und zwischenzeitlich mit 2:4 im altehrwürdigen Jahn-Stadion zurücklag. Es war der 5. Spieltag und Hansa ist als Geheimfavorit nicht gerade besonders gut in die Saison 14/15 gestartet (wie wir alle wissen, wurde es ein einziges Drama bis zum Schluss). Ich, und garantiert auch unzählige Hansa-Fans an den Apparaten hatte das Spiel schon abgeschrieben. Doch plötzlich passte die Jahn-Deckung nach einem weitem Schlag von Weidlich nicht auf, sodass Fußballgott Marcel ‘Cello’ Ziemer zum Fallrückzieher ansetzte und die Pille an das lange Eck drosch. Jahn-Torhüter Lobué schaute nur verdutzt hinterher – Dreierpack! Doch damit nicht genug. Hansa schmiss jetzt alles nach vorne und spielte auf einmal wie aus einem Guss.
Was Stuff nicht schaffte, übernahm kurze Augenblicke später Ziemer erneut und legte das Ei gekonnt zum vierten Mal (!) ins Netz – ein absolutes Ausrasterspiel für die Geschichtsbücher!
Mentalität pur in ‘Nebelsburg’
Dieser Nebel. Bis heute ist es mir ein Rätsel, wie die Spieler, aber vor allem auch die Fans noch an jenem 27. Oktober 2021 den Durchblick behalten konnten. So eine Suppe, die sich, ausgehend von der Donau, über das Stadion legte, war so zäh, dass man teilweise den Ball mitsamt Spieler gar nicht mehr richtig sehen konnte. Doch in der 1. Hälfte war noch halbwegs klare Sicht. Und diese klare Sicht nutzte Riedel eiskalt nach einer Ecke. Mamba erhöhte kurz nach Wiederbeginn auf 2:0. Alles schien seine geordneten Bahnen zu laufen. Bis, ja bis dieses zähe Etwas über das Stadiondach geschlichen kam und für gehörig Unruhe im Hansa-Strafraum sorgte. Kurz vor Spielende glich der Jahn in einer umkämpften und von zahlreichen Chancen geprägte Partie noch aus. Und machte Verlängerung einfach weiter und nutzte eine Unachtsamkeit nach einer Ecke eiskalt aus – 3:2.
Doch Hansa wäre nicht Hansa, wenn der Heilsbringer nicht auch noch ein Wörtchen mitreden darf. In der buchstäblich letzten Sekunde erkämpfte sich Bahn auf der Außenbahn (srry, der musste nochmal sein) den Ball und gab flach nach innen, wo Passi goldrichtig stand und den Ball zum 3:3 über die Linie bugsierte – ein absoluter Wahnsinn! Es ging ins Elfmeterschießen. In etwa 90 Meter Entfernung mussten die Hansa-Fans schon teilweise ihre Ferngläser rausrücken, damit man überhaupt was sehen konnte. Und tatsächlich verwandelte Breier auch den letzten Elfer, sodass Hansa das erste Mal nach weit über einem Jahrzehnt mal wieder in einem Achtelfinale des DFB-Pokals stand.
Ausblick auf den Abstiegskracher
Diese nostalgischen Momente lassen Einem doch positiv stimmen, dass auch dieses Mal die drei Punkte im Ostseestadion bleiben werden. Es wäre so verdammt wichtig. Man könnte sich von den direkten Konkurrenten absetzen und ein Zeichen an die gesamte Liga senden. Denn: Vor ein paar Wochen wir für die meisten Fußball-Fans schon tot. Doch nun haben wir alles in der eigenen Hand. Die Jungs müssen den Schwung aus den vergangenen Spielen mitnehmen und sich nicht provozieren lassen. Im letzten Aufeinandertreffen der beiden Vereine gab es zwar keine Tore, jedoch ging es enorm ruppig zu und der Schiri musste enorm viele gelbe, ja sogar eine rote Karte (Sikan) verteilen. Auch dieses Mal wird dieses Duell von Physis, Mentalität und Leidenschaft geprägt sein. Ein kühler Kopf muss her, um auch diese Probe zu bestehen.
Bis dahin! AHU!