08:00 Uhr: Ich fühle mich vom Vorabend gerädert und so wirklich will die Vorfreude, was noch folgen mag, nicht aufkommen: Es ist Heimspiel des FC Bayern München gegen den VfB Stuttgart. Die Firma, in der ich aktuell beschäftigt bin, bot mir ein VIP-Ticket für Sponsoren an und natürlich habe ich zugesagt. Nicht weil ich für die Bayern eine Sympathie hege, sondern weil mir bewusst war, dass es Essen und Trinken for free geben wird. Trotzdem verspüre ich ein Unbehagen. “Da sind doch nur Bonzen und Edelfans! In dieses Bild passe ich doch nicht. Ich war jahrelang auf der Südtribüne des F.C. Hansa und auswärts sah man mich auch regelmäßig. Du wirst dich nicht wohlfühlen”
12:30 Uhr: Anstoß ist um 15:30 Uhr und ich habe mich immer noch nicht fertig gemacht. Was soll ich auch anziehen? Gebe ich mich der Erwartungen hin und ziehe ich mich superschick an oder bleibt es wie gewohnt bei Windbreaker, Jogger und Basecap? Noch nie habe ich mir überhaupt so viele Gedanken über die Kleidung für ein Fußballspiel gemacht. Es wird die gesunde Mitte aus Jeans, schwarzem Shirt und Lederjacke. Ich eile aus der Wohnung.
13:00 Uhr: Ich quetsche mich in die viel zu beengte U-Bahn. Viele Fans machen sich auf den Weg Richtung Stadion. Es gibt dabei zwei Dinge die mich verwundern. Zum einen ist es diese unfassbare Ruhe die hier herrscht. Man muss sich keine Sorgen machen, dass das schlafende Baby von grölenden Fans geweckt wird. Zum anderen die Sauberkeit der U-Bahn. Oft hat es mir wegen klebriger Böden die Schuhe ausgezogen, worauf ich Gefahr lief mir die Füße an den Scherben aufzuschneiden. Hier kann man fast vom Boden essen.
13:30: Wo zur Hölle ist die Polizei? Ich steh 500 Meter vom Stadion entfernt und ich sehe niemanden von der Exekutive. Mir ist bewusst, dass ich zwei Stunden vor Anpfiff da bin und es sich um kein Risikospiel handelt, aber ich fühle mich um meiner Sicherheit bedroht *ironie*. Am Horizont sehe ich die riesige Kloschüssel und ich weiß wo Norden ist. Da ich eine Karte für die Westtribüne habe, gestaltet sich der Orientierungsmarsch als relativ einfach.

13:45 Uhr: Den VIP-Eingang kann man sowohl anhand der Pflanzkübel rechts und links der Glastür, als auch anhand der zwei Securities im Anzug erkennen. Ich verspüre eine Erhabenheit während ich durch diese gehe und die Kellner begrüßen mich rasch mit kostenlosen Kaltgetränken. Ich greife dabei zum Wein, denn wenn man schon zu so einer Veranstaltung eingeladen ist, dann kann man sich auch was extraordinäres gönnen. Leider hab ich schon zu Mittag gegessen, weswegen ich weniger Hunger habe, aber die Garnelensalat schaut gut aus. Hier wird einem tatsächlich alles geboten. Neben à la carte gab es auch ein Buffet mit verschiedenen Speisen. Mein persönliches Highlight des Ganzen ist aber die Eisdiele. Diese händigt auf Wunsch eine x-beliebige Anzahl an Eiskugeln aus.

15:00 Uhr: Zwei Rotwein, drei Bier, zwei Aperol Spritz und etliche Kippen später geht es mir mittlerweile richtig gut. Vielleicht auch ein wenig übel, aber die Verklemmtheit wurde derweil abgelegt. Ich bin froh, dass gleich Anstoß ist und ich ein wenig frische Luft schnappen kann.
15:25 Uhr: Was ist das für eine Scheiße! Ich hatte mir ein Aperol Spritz für die Tribüne bestellt. Dieser wurde mir als Trinkbecher ausgehändigt. Diesen darf ich aber nur über die normale Treppe anstelle der Rolltreppe benutzen. Naja, dann wird der eben geext.

15:30 Uhr: Auf der Tribüne herrscht absolutes Rauchverbot und leider sind die Ordner voll hinterher was die Regel anbelangt. Das stimmt mich traurig, denn Fußball ohne Kippen ist wie Warnemünde ohne Leuchtturm. Mit Anpfiff wundere ich mich warum “Scheiß St. Pauli” aus der Gästekurve hallt. Mit einem Schwenk auf der Südtribüne, das ist die Fankurve, wurde mir auch klar wieso. Ultras St. Pauli beehrte die Schickeria. Beide Fangruppierungen pflegen eine enge Fanfreundschaft, was bei mir nur ein kaltes Seufzen auslöst. Ich krieg wohl nie meine Ruhe vor diesem Verein. Das Geschehen auf den Platz interessiert mich weniger (1:0 für Bayern durch Tel), als jenes auf den Rängen und es stimmt! Die Bayernkurve ist lautstärketechnisch ein schlechter Scherz.
16:15 Uhr: Halbzeitpause! Bier! Ich renne die Rolltreppe hoch. Die Kellner stehen immer noch am Eingang mit Bier auf ihren Tablets. Dementsprechend greife ich zu zweien und eliminiere sie wie ein Krieger.
16:30 Uhr: Ich hab das Anschlusstor verpasst (1:1 durch Führich). Gefreut habe ich mich trotzdem, aber diese Freude hielt nicht lange. Jamal Musiala erhöht auf 2:1. Wie das passiert ist, kann ich schlecht sagen. Ich habe mich mehr auf die Tribünen und mittlerweile auch auf mich selbst konzentriert. Mir war ein wenig schwummerig. Dieses Gefühl flaut aber mit fortschreitender Zeit ab. Das Spiel endet 2:2, wo in der Nachspielzeit ein Elfmeter für Stuttgart verwandelt wurde. Damit spielten die Bayern das dritte Unentschieden in Folge. Für die Fans ist es eine absolute Katastrophe, das kann man an ihren genervten Blicken erkennen.

17:15 Uhr: Die dritte Halbzeit bricht an. Das bedeutet nicht weniger, dass ich mich nun wieder in den Sponsorenbereich verziehe und gemeinsam mit den Kollegen das Ende diesen Abends mit einigen Kaltgetränken zelebriere. Dort wurden auch “Fleischkäsebrötchen” ausgeteilt. Diese waren aber kleiner als eine Kinderfaust. Dementsprechend habe ich 5 Stück auf den Teller gepackt, denn so wird man ja nicht satt. Parallel zum Bier, Wein und Aperol Spritz, gönne ich mir zwei Latte Macchiato. Wie ich auf diese Idee komme, kann ich schlecht sagen. Zum einen habe ich die “Bier und Wein, lass es sein!”-Regel gebrochen und nun schütte ich mir koffeinhaltige Milchgetränke in den Schlund. Das mir nicht speiübel wird, ist mir ein Rätsel.
19:00 Uhr: Die Kellner wollen Feierabend machen und geleiten uns aus den Saal. Mittlerweile haben alle Kollegen inklusive meiner Wenigkeit die Helme gut verbogen bekommen. Das ist eine Metapher, dass wir besoffen sind. Außerhalb des Stadions rauchen wir die letzte Zigarette des Abends, ehe man sich gegenseitig verabschiedet. Ich bin froh, dass ehe ich in die Bahn steige, nochmal ein paar Meter zu gehen habe, damit ich wieder auf mein Leben klar komme. Auch wird der Andrang zur Bahn marginal sein, so sind ja auch knapp zwei Stunden seit Abpfiff vergangen.
20:00 Uhr: Ich liege im Bett, ziemlich erschöpft. Dabei habe ich doch nicht viel gemacht. Kein Support auf der Tribüne, nur gesessen und Unmengen gegessen. Mein letztes Auswärtsspiel des F.C. Hansa ist auch mittlerweile ein wenig her und mir graut es davor, wie es mir danach gehen wird. Trotzdem hab ich Bock drauf.
Nichtsdestotrotz muss ich anmerken, dass mir die heutige Veranstaltung Spaß gemacht hat. Nicht nur, weil ich mich for free komplett gehen lassen konnte, sondern auch mit tollen Menschen einen angenehmen Abend verbracht habe. Wenn man mich noch mal einladen würde, dann würde ich nicht nein sagen.