Meinung: Was wir Spiel des FC Hansa Rostock ändern würden
Ist Hansa im Soll?
Auf die Frage, ob man im Soll sei, antwortete Alois Schwartz, dass man sehr gut gestartet sei und die Stimmung getrübt, da man zuletzt dreimal verloren hatte. Zusätzlich merkte er an, dass sein Team in beiden Spielen nur den Start verschlafen hätte, man aber ansonsten einem Sieg sehr nah war.
Natürlich steigerte man sich gegen die Fortuna Düsseldorf und den 1.FC Kaiserslautern in Hälfte Zwei, muss jedoch auch bedenken, dass beide Teams jeweils in Führung lagen und zahlreiche Gelegenheiten vergaben. Einem überragendem Markus Kolke war es zu verdanken, dass die Kogge noch im Spiel war.
Mit Blick auf die Gesamtheit der Saison lassen sich, laut unserer Meinung, einige besorgniserregende Tendenzen erkennen, an denen Schwartz unseres Erachtens nach adaptieren sollte. Im folgenden Artikel wollen wir Probleme ansprechen und jeweils unsere Lösungen dazu anzuschneiden.
Angeschlagene Defensive
Gerade in den letzten drei Spielen wirkt die vorher so stabile Defensive angeschlagen. Das liegt jedoch nicht an außergewöhnlich schlechten Leistungen der Individualspieler. Wir sehen dafür mannschaftstaktische und systembedingte Gründe. Im Prinzip eröffnet Hansa dem Gegner viel zu große Räume, sollte man aus der Grundordnung fallen. Man ist extrem anfällig für Konter.
Prinzipiell erkennen wir den Krisenherd im Mittelfeld. Durch die zweifache Besetzung mit Bachmann und Dressel ist die Personaldecke auf dem Feld sowieso quantitativ dünn. Gerade Bachmann ist extrem offensiv orientiert und stößt dementsprechend vor. Somit ist das Zentrum leerer Raum. Sollte der Gegner nun Kontern und bekommt den entsprechenden Platz, bewegt sich ein Spieler aus der defensiven Dreierkette nach vorne. Meistens ist das Jasper van der Werff. Somit fällt die Kette aus der Struktur. Weil die Abwehr zudem hoch stehen muss, um den Raum für den Gegner zu begrenzen, ist zu dem viel Platz hinter der Defensivreihe. Das birgt Gefahr, denn Hansas Innenverteidiger haben gegen schnelle Stürmer (wie Ragnar Ache) klare Tempodefizite. Auch die offensive Positionierung von Kevin Schumacher und Nico Neidhart trägt ihren Teil dazu bei. Beide sind elementare Bestandteile des Offensivkonzeptes und dementsprechend vorne, wenn es zu gegnerischen Kontern kommt.

Rückkehr zur Viererkette
Wir würden die Probleme angehen, in dem wir eine Viererkette bilden und zukünftig einen Spieler der früheren Fünferkette ins Mittelfeld beordern. Zudem würden wir davon absehen, Janik Bachmann auf der Sechs einzusetzen, da er so offensiven Stärken beraubt wird. Persönlich beobachteten wir, dass Bachmann und Schumacher zu oft ihre Gegenspieler aus den Augen verloren haben. Beide überzeugen eher offensiv. Wir würden lieber einen konservativeren Linksverteidiger wie Rossipal aufbieten. Auf der Sechs könnte man sowohl Dennis Dressel aufbieten, als auch Jasper van der Werff testen. Theoretisch wäre Jonas David mit seinem überzeugenden Aufbauspiel ebenso eine Option. Es geht primär darum, einen Spieler aufzubieten, dessen Aufgabenfeld auf eröffnende Pässe und defensive Stabilität ausgelegt ist. In der Innenverteidigung würden wir mit Roßbach und David planen. Rechts ist Nico Neidhart gesetzt, der unter dem Radar eine ordentliche Saison spielt und an vielen Offensivaktionen beteiligt ist. Auch Strauß ist eine interessante Personalia.

Zuordnung, Standards und Pressing
Weiterhin sehen wir Probleme in der defensiven Zuordnung. Neben Kontersituationen sind auch Standards ein großes Problem. Sowohl Kevin Kraus als auch Andre Hoffmann trafen in den Spielen gegen Hansa nach Ecken. Beide sind Akteure, welche für Wucht und Kopfballstärke stehen. Das sie nicht adäquat verteidigt wurden, war ein klarer Fehler. Mit der Umstellung erhoffen wir uns zumindest eine bessere Zuordnung zum Gegenspieler, sollte es zu Kontern kommen. Für die Zuordnung bei Standards könnte es hilfreich sein, die Rollen anders zu definieren.
Ein letztes Defensivproblem bezieht sich wieder auf das Stellungsspiel. Für Hansa wird es extrem gefährlich, verlagert der Gegner die Seiten. Jedes Mal, wenn über vertikale Pässe oder lange Bälle plötzlich verlagert wird, kommt man in chaotische eins gegen eins-Situationen. Beispiel hierfür ist das 1:0 von Christos Tzolis von Fortuna Düsseldorf. Auch hier könnte eine Umstellung auf die Viererkette und ein zusätzlicher Mittelfeldakteur Abhilfe schaffen.
Ein letzter Punkt des Defensivspiels ist reine persönliche Präferenz. Hansa zeigt die Tendenz sehr passiv zu agieren und presst den Gegner im Aufbau kaum. Ich würde mir wünschen, dass man mehr Pressingmomente kreiert. Jedoch bedeutet intensives Pressing auch größere Anfälligkeit, aus der Ordnung zu fallen.
Offensiv durch die Mitte?
Offensiv lässt sich das Problem, welches wir sehen, klar benennen. Hansa kann nicht durchs Zentrum spielen. Geschätzte 90% der Gelegenheiten der Kogge fallen auf Flanken zurück. Das Offensivkonzept, auf welches man in den ersten vier Partien setzte, funktioniert nicht mehr. Man konnte hier beobachten, wie der Ball im Aufbau stets nach außen gegeben wurde, bis man den Flügelverteidiger erreicht. Dieser gab die Kugel mit einem langen Schlag hinter die Abwehrkette. Hier sollten die schnellen Flügelspieler den Ball erlaufen und ihn von außen in die Mitte geben. Prinzipiell eine interessante Idee, die in Hansas Fall unserer Meinung zwei Probleme vorweist. Erstens: wenn Journalisten wie wir das erkennen, erkennen das auch Analysten und Trainer der anderen Vereine. Zweitens: da man nicht durch Zentrum spielen kann, ist man super ausrechenbar. Wenn man realisiert, dass der Gegner über vertikale Bälle hinter die Kette angreift, verschiebt man seine eigene Abwehr einfach nach hinten, sodass keine Räume hinter ihr entstehen. Zudem besetzt man die Fläche davor kompakt und presst bestenfalls die Flügelverteidiger, sodass sie keine gefährlichen Bälle spielen können.
Ein Zehner als Lösung
Die Lösung, die wir dafür sehen, ist ebenfalls eine veränderte Formation und ein zusätzlicher Mittelfeldakteur. Wir wünschen uns Sapreet Singh als klassischen Zehner. Er ist, anders als große Teile unseres Offensivpersonals, kein Spieler, der über Vertikalität und Läufe in die Tiefe kommt. Singh bietet sich an und will den Ball. Er verfügt über ein gutes Auge und kann seine Mitspieler einsetzen. Zudem ist er ein fähiger Standardschütze.
Das Mittelfeld würden wir zudem um Sebastian Vasiliadis ergänzen, welcher ein sehr guter Box-to-Box-Spieler ist, also zwischen den Strafräumen agiert. Er wäre das Bindeglied zwischen Singh und dem tiefen Sechser.
Flexibles Angriffsspiel
Offensiv bieten sich viele Optionen. Qua ihrer Qualität müssen Junior Brumado und Juan Perea spielen. Brumado ist dabei ein idealer Fixpunkt in der Offensive, ein Spieler, der Ziel jedes Balls sein kann. Er ist sicher an der Kugel und kann diese an Mitspieler verteilen. Perea ist aufgrund seiner Wucht enorm wichtig. Er kann ein Unterschiedsspieler sein. Die dritte Position in der offensive ist vakant, es gibt unglaublich viele Spieler, die diese Rolle bekleiden könnten. Svante Ingelsson ist laufstark und arbeitet hart. Jedoch fehlt ihm der Output an Offensivgefahr. Kai Pröger ist ein Instinktfußballer und starker Dribbler, war aber zuletzt nur mäßig in Form. Christian Kinsombi ist ein konservativer Flügelspieler, der über gutes Dribbling kommt und auf der Außenlinie klebt, deinem Spiel somit unglaublich viel Breite verleiht. Auch Güler, der über Tempo und Abschlussstärke kommt, könnte man hier aufbieten. Wir würden uns jedoch für Nils Fröling entscheiden, der diese Saison insgesamt eine sehr guten Eindruck hinterlies. Fröling ist schnell, ordentlich torgefährlich und kann aus der Ferne abschließen. Zudem bietet man nun drei Spieler auf, die vorne theoretisch jede Position bekleiden können. Somit kann man wieder untereinander Rotieren, also Positionen im Spiel tauschen, was der andere Defensive deutlich mehr Probleme bereitet, da sich diese auf viele Optionen einstellen muss. Für Breite im Spiel würden wieder die Außenverteidiger sorgen, die unteranderem Stürmer mit Flanken aus dem Halbraum füttern könnten. Die offensive Positionierung würde, unserer Meinung, jedoch deutlich besser abgefedert werden, da man mit dem Sechser, zwei Innenverteidigern und Vasiliadis als Achter vier Spieler für die Restabsicherung bereitstellt.

Eine Option für mehr Wucht wäre es, Bachmann auf der Zehn aufzubieten. Hier kann er sein Spiel als Schattenstürmer, also Akteur, der immer wieder in die Mitte zieht, besser ausleben, da er kaum defensive Verantwortung hätte. In Sandhausen haben seine Vorstöße ihn stark gemacht. Vielleicht kann er sein Spiel in Rostock in dieser Rolle aufbessern.
Auch Hinterseer ist eine Option, die im Kader verbleiben sollte. Er ist eine interessante Wechselmöglichkeit, um einen klassischen Neuner aufs Feld zu werfen. Auch, wenn er teils unglücklich agierte, bringt er eine unheimliche Präsenz im Zentrum mit und bindet Gegenspieler. Dies schafft Räume für seine Mitspieler. Er ist vor allem wichtig, wenn man auf lange Bälle setzt.
Ruhe und Geduld als Weg zum Erfolg
Letztendlich ist dieser Artikel komplett Meinungsbasiert. Wir sind Journalisten, während Alois Schwartz und sein Trainerteam lizensiert Fußballfachmänner sind, welche über eine gewaltige Expertise verfügen. Es kann nicht der richtige Weg sein, ihm direkt das Vertrauen zu entziehen, nur weil es mal suboptimal läuft. Schwartz weiß, was er tut und sollte die Chance bekommen, Hansa wieder in die Spur zu führen und an den Stellschrauben zu drehen, um die Probleme zu beseitigen. Unsere veranschlagten Lösungen sind kein Allheilmittel und vermutlich werden wir niemals erfahren, ob dies überhaupt fruchten würde. Alois Schwartz ist der Trainer und Alois Schwartz sieht die Mannschaft tagtäglich auf dem Platz. Wenn Hansas Historie eins zeigt, ist es, dass wir stets Erfolg hatten, wenn wir geduldig sind. Aktionismus, egal ob Dieter Eilts oder Wolfgang Wolf, brachte noch nie etwas. Dementsprechend ist Vertrauen in die sportliche Führung wichtig. Genauso, wie Alois Schwartz unser Vertrauen verdient hat.