Rückkehr nach Alptraum-Saison
Schon zum dritten Mal betritt Oliver Hüsing das weite Rund in Rostock und scheint auf den ersten Pressefotos sehr glücklich auszusehen. Kein Wunder: Nach der Horrorsaison bei den Arminen aus Ostwestfalen, für die es von der 1. Bundesliga nun in die 3. Liga geht und ein kompletter Neuanfang dort auf der Agenda steht, stand der Routinier völlig neben sich. In Bielefeld konnte sich der 1,93 Meter Hüne, wie auch der Rest des Teams, nie so richtig etablieren und auf seine Stärken aufbauen – ein schon merklicher Karriereknick im Vergleich zur starken Vorsaison bei den Heidenheimern. Doch jetzt soll in seiner mittlerweile zweiten Heimat alles (wieder) besser werden. Schafft er den Turnaround? Die Vergangenheit bei Hansa gibt auf jeden Fall Hoffnung!
Das erste Mal
Als es Hüsing damals zum ersten Mal an die Ostseeküste zog, stand die Kogge auf Tabellenplatz 19 (!) der 3. Liga und war somit akut abstiegsgefährdet (wie gut wir es doch aktuell haben). Der Absturz in die Regionalliga drohte. Karsten Baumann beorderte den vom SV Werder Bremen ausgeliehenen Verteidiger zum Rückrundenstart 2015 direkt in die Startelf. Und mit ihm kamen direkt der Erfolg und die nötige Stabilität zurück. Hansa blieb die ersten sechs Spiele ungeschlagen, während Hüsing sich immer zum Leader etablierte. Erst Aufstiegsaspirant Arminia Bielefeld (die Zeiten ändern sich schnell) konnte den guten Lauf der Rostocker mit viel Mühe in Überzahl stoppen.
Dennoch: Captain America, wie er nun fortan liebevoll von den Hansa-Fans genannt wurde, wurde zum Abräumer schlechthin und sorgte mit seiner Kopfballstärke bei Standards für gehörige Gefahr. Auch seine Ausstrahlung und Präsenz auf dem Feld war mehr als entscheidend und tat der Mannschaft wahnsinnig gut.
Apropos Standardstärke: sein viel umjubeltes Last-Minute Tor gegen Halle in jener besagten Saison 14/15, welches er mit dem Hinterkopf in die Maschen legte, war für die Mannschaft ein absoluter Befreiungsschlag. Ohne den formstarken Beginn in der Rückrunde – der ohne Hüsing nur schwer möglich gewesen wäre – hätte es die Kogge wohl erwischt und der Gang in die 4. Liga wäre zur bitteren Realität geworden; folglich auch ein noch schlimmeres finanzielles Chaos hätte den Verein womöglich vollkommen in den Ruin getrieben.
Kurz auf anderen Wegen
Die Leihe endete, doch Hansa fehlte schlicht und ergreifend das Geld, ihn halten zu können, auch aufgrund seiner konstant guten Leistungen, die er stets zeigte. Doch für die Profimannschaft beim SV Werder sollte es einfach nicht reichen. Hüsing blieb stattdessen in der Reservemannschaft kleben. Zu Beginn der Spielzeit 16/17 wechselte der heute 30-jährige nach Ungarn und unterschrieb bei Ferencváros Budapest – eine Saison mit einem krönenden Abschluss: dem Gewinn des Pokalwettbewerbs. Trotz anhaltender Knieprobleme kämpfte er sich mehrmals zurück in die Startelf und agierte dabei größtenteils souverän, trotz regelmäßiger Spieltagspraxis.
Wie ein Bumerang
Zwei Jahre nach dem letzten Engagement bei Hansa, kam es dann zu einem baldigen Wiedersehen. 2017 läutete Pavel Dotchev eine ballsichere und dominantere Spielweise ein und lotste Hüsing abermals an die Ostsee – ein absoluter Coup zu diesem Zeitpunkt. Man empfang ihn nach seiner ersten erfolgreichen Zeit mit Kusshand – zu Recht. Der spielfreudige Fußball tat dem Verteidiger aber mal sowas von gut. Er räumte in Strafraumnähe nicht nur rigoros auf, sondern sorgte auch mit seiner Kopfballwucht vorne für Jubel! Alle seine Tore für Hansa fielen entweder nach Ecken oder Freistößen aus dem Halbfeld – eine absolute Waffe! Er verpasste nur ein einziges Spiel und war in jener Saison nicht ein Mal gesperrt (als Innenverteidiger eine durchaus bemerkenswerte Statistik). Er stand für die sich allmählich einsetzende sportliche Kontinuität und war DER Dauerbrenner schlechthin.
Ein Knie hält Hüsing nicht auf
Doch sein Knie machte ihn immer wieder zu schaffen, weshalb er die ersten neun Spiele der darauffolgenden Saison verpasste. Er wurde schmerzlich vermisst und die Fans sehnten sein Comeback förmlich herbei. Als der Abwehrhüne endlich wieder einsatzbereit war, konnte die Kogge den schlechten Saisonstart ein wenig aufpolieren und sich abermals mit sechs ungeschlagenen Spielen aus der Misere befreien, teilweise sogar oben in der Tabelle anklopfen. Allerdings hielt die positive Stimmung nicht lange. Auch Hüsing konnte im Winter 18/19 den Abwärtstrend und den damit einhergehenden Rausschmiss von Dotchev und Co. nicht verhindern. Härtel übernahm die Kogge fortan und ließ einen deutlich defensiveren und kompakteren Fußball spielen. Dementsprechend war auch Captain America vermehrt hinten anzutreffen.
Ab und zu fungierte er aber auch als Libero und versuchte mit seiner körperlichen Wucht die langen Bälle vor dem Strafraum festzumachen. Dabei stabilisierte sich die Anzahl der Gegentore unter Härtel stetig, weshalb Hüsing abermals in der Innenverteidigung zum Fels in der Brandung wurde.
Die perfekte Mischung aus einem cleveren Spielstil und einer unnachahmlichen Kopfballstärke weckte natürlich Begehrlichkeiten, weshalb man ihn schließlich nach zwei Jahren wieder ziehen lassen musste: nach Heidenheim. Dort mauserte sich Hüsing zu einem der besten Innenverteidiger der gesamten Liga. 2022 war er wohl bei Hansa abermals im Gespräch, entscheid sich jedoch letztendlich für den schon mehrfach erwähnten Bundesliga-Absteiger.
Alle guten Dinge sind…?
Nun steht fest, dass Hüsing zum dritten Mal zu uns an die Ostseeküste kommt. Meiner Meinung hätte man die Suppe nicht noch ein weiteres Mal unbedingt aufwärmen müssen. Es wird interessant zu sehen sein, ob er hier aus seinem Formtief wieder herauskommen wird. Andererseits sind aktuell wenige Innenverteidiger dieser Sorte auf dem Markt, weshalb der Transfer, in dieser Hinsicht, durchaus seinen Sinn hat. Ich lasse mich gerne eines Besseren belehren!
Herzlich willkommen, Oliver Hüsing! Auf ein weiteres Abenteuer! AHU!