Unsere Bilanz gegen Kiel ist relativ ausgeglichen, von bisher 13 Pflichtspielen gewannen wir 4, 5 mal gewannen die Holsteiner und 4 mal endete es in einem Unentschieden. Unser letzter Sieg war dabei ein extrem unterhaltsames 3:2 zu Hause in einem Abendspiel der Saison 21/22. War echt ne geile Saison. Bei Kiel wird, bis auf Patrick Erras, voraussichtlich jeder dabei sein. Auf unserer Seite hat sich, würde ich vermuten, auch nicht viel verändert. Scherff und Rhein werden fehlen, bei Oliver Hüsing bin ich mir unsicher, er wird aber mit dem Trainingsrückstand durch seine Verletzung wahrscheinlich weiterhin keine Option für die erste Elf sein. Zudem verletzte sich Sarpreet Singh in der Länderspielpause. Holstein Kiel ist nicht zufällig auf dem 4. Tabellenplatz, deshalb geht es jetzt hier darum, was sie machen und wie wir gegen sie (meiner Meinung nach) am besten antreten können.
Kiel wird, denke ich, so auflaufen:

Im Spielaufbau hat sich beim KSV ein bisschen etwas im Vergleich zu vorher geändert. Hinten raus findet dieser erstmal kurz und flach statt. Einer der beiden 6er, meistens Holtby, lässt sich dabei oft zurückfallen, während die Außenverteidiger hochschieben. Damit hat Kiel im Aufbau 2 3er Ketten, die ihnen hinten raus einen sehr kontrollierten Aufbau ermöglichen, weil sie viele Kurzpassoptionen haben.

Das Ziel hierbei ist es, den Ball essenziell so lange rumzuschieben, bis der Gegner ungeduldig oder unaufmerksam wird. Wenn sich dann, bspw. durch ungestümes Anlaufen oder inkorrektes Verschieben Räume auftun, die Kiel ausnutzen kann, spielen sie, meistens über den 6er, entweder direkt sehr weite Schnittstellenpässe durch die Halbräume oder es kommt ein hoher, weiter Seitenwechsel auf einen der hohen, breitziehenden Außenspieler, wenn diese genug Platz haben. Hierbei geht Kiel selten ins Risiko, sondern ist meistens echt sehr geduldig und kann auch (wie situativ gegen Karlsruhe) den Ball länger als eine Minute einfach mal laufen lassen. Falls es hier Ligue 1-Connaisseure gibt: das ist bis hier in etwa vergleichbar damit, was Lens letztes Jahr zu so einer starken Mannschaft gemacht hat, nur etwas mehr über die Flügel.
Mit Komenda, Kleine-Bekel, Becker, Sander, Johannson, Schulz oder grade auch Holtby hat man für diesen Aufbau auch einfach sehr viele pressingresistente Spieler mit einem sicheren Passspiel, was ihnen es auch ermöglicht, diese Art des Fußballs zu spielen und dabei vor allem variabel zu sein, weil sich die Qualität des Aufbaus, meistens, auch mit Personalwechseln nicht ändert.
Wenn der Ball dann jedenfalls auf den Außen ist, geht Kiel über Flügelläufe nach vorne. Entweder hat man so viel Platz, dass sie wortwörtlich zur Strafraumkante laufen, oder man spielt sich auch hier mit vielen kurzen Pässen nach vorne. Tom Rothe ist bisher nach quasi jeder relevanten Metrik ein Top 3 Schienenspieler der Liga, aber auch Becker, Simakala oder Skrybzski sind für die offensiven Aufgaben der Position sehr gut geeignet. Die Flankenordnung der Kieler sieht dabei häufig so aus (Personal exemplarisch an der Grundordnung von oben):

Kiel gegen den Ball
Kiel läuft, bei kurzem Aufbau, sehr hoch an. Das ist grade gegen Mannschaften mit etwas holprigem Spielaufbau immer mal wieder eine sehr effektive Art an einfache Chancen zu kommen, weil sie oft sehr plötzlich alle Anspielstationen in der eigenen Hälfte schließen und grade die Mitte teilweise echt sehr ordentlich zukriegen, worauf einige Gegner recht panisch und dadurch schlecht reagieren.
Wenn man den Ball nicht früh hoch gewinnen kann, rückt man schnell zurück und steht ungefähr ab der Mittellinie sehr kompakt. Das Wort „kompakt“ ist hierbei wörtlich zu nehmen, denn auch hier macht man vor allem die Mitte und Halbräume zu, was einen mit Ball, außer man hat Messi im Team, quasi dazu zwingt, über die Flügel zu spielen. Von diesem ist oft nicht viel Gefahr erzeugbar, weil Kiels Defensive zu ihren Fähigkeiten am Ball auch noch keinen Spieler unter 1,85 hat.
Klingt jetzt alles erstmal nicht so toll, es gibt aber auch gute Wege um sie zu knacken. Hier guckt man jetzt reflexartig auf die höchste Kieler Saisonniederlage, ein 1:5 bei St.Pauli, aber ich bezweifle stark, dass wir den Ball 4 mal so absolut perfekt treffen wie bei Paulis 4 Weitschusstoren, deswegen sagt einem das Spiel ehrlicherweise nicht allzu viel.
Bevor ich euch meinen Plan mitteile, hier erstmal meine Startelf:

Wir werden Kiels Aufbau nicht restlos verteidigt bekommen, man kann ihm aber eventuell strukturell etwas entgegensetzen. Das 4-4-2 bringt einem schon in der Grundformation gute Möglichkeiten, um die Halbräume und die Mitte größtenteils für Kiels weite Schnittstellenpässe zu schließen, die uns sonst recht einfach das Genick brechen könnten. Wenn dann, gegen den Ball, jeweils einer der 9er, gerne Brumado, zwischen die 8er rücken lässt, hat man erstmal eine sehr gute Struktur im Mittelfeld. Viel hängt hier aber auch wirklich davon ab, wie gut die Jungs ihre Position im Mittelfeld einhalten, deshalb habe ich unter anderem David und Van der Werff getauscht. Die Kunde von Singhs Ausfall kam leider relativ spontan, aber dazu aber später mehr.

Kiels lange Bälle auf die Flügel, die naturgemäß häufiger auf den höherschiebenden Rothe kommen, sind zwar extrem gefährlich, aber nur wenn man ihnen auch den Platz dafür gibt. Singh ist niemand, der Rothe adäquat pressen könnte und das ist auch nur bedingt seine Aufgabe. Diese Aufgabe fällt vor allem Neidhart und Vasiliadis, je nachdem wo Rothe den Ball kriegt, zu, denn, obwohl die Dortmunder Leihgabe wie erwähnt ein überragender Schienenspieler ist, ist er oft in seiner Ballverarbeitung sehr holprig. Ab und zu braucht er zu lange, um die Bälle zu kontrollieren oder reagiert bei gutem Druck noch viel zu hektisch und genau für diese Situationen sind Neidhart und Vasiliadis optimal, weil sie ihren Gegenspielern sehr gut Druck machen können, auch wenn sie Rothe rein physisch natürlich unterlegen sind, aber das physische Duell ist ja hier auch nicht das Ziel. Um den Ausfall von Singh zu kompensieren, hat man verschiedene Optionen, welche jedoch ein komplett unterschiedliches Profil vorweisen. Letztendlich entscheide ich mich mit Pröger für den Pressingstärksten der Flügelspieler. Somit wird im Gegenzug auch Vasiliadis entlasten, der sich nun mehr auf seine Gegenspieler im Zentrum fokussieren kann.
Wenn Kiel doch auf außen durchkommt, soll David unbedingt zwischen die Innenverteidiger der 4er Kette rücken, damit man der Kieler Strafraumbesetzung bei Flanken gewachsen ist.

Das Aufbauspiel der Kieler, das sie mit Ball so gut macht, ist gleichzeitig defensiv ein ordentliches Problem. Dadurch, dass der KSV so hoch aufrückt, sind sie sehr anfällig für Konter. Oft müssen die Kieler Defensivspieler teilweise 15-20 Meter zurücklaufen, bevor man überhaupt in einen abgesicherten Zweikampf gehen kann, unter anderem auch, weil sie für ihre Flanken so viele Spieler in Strafraumnähe ziehen. Uns ist mit Van der Werff, David, Rossipal, Brumado oder Kai Pröger fünf Mal die Möglichkeit gegeben, einen Konter durch einen langen Ball einzuleiten. Diese Konter werden nur über die Flügel laufen, weshalb auch Ingelsson spielt. Der Schwede ist bisher nicht in Topform, allerdings für die ihm hier gegebene Aufgabe quasi perfekt, weil er viel Platz vor sich haben wird. Auch Pröger kann Raum durch Tiefenläufe gewinnen und so potentiell in Szene gesetzt werden. Mit Rossipal hat man natürlichen eine herausragenden Flankengeber. Mit Singh fällt eine zweite Option für Hereingaben weg, Pröger zieht eher mit Ball am Fuß in die Mitte. Diese sollen, aufgrund der zu erwartenden Luftdominanz, vor allem scharf auf den 1. Pfosten kommen, damit entweder einer durchrutscht oder Kiel den Ball ungenau klären muss. Wenn das passiert, wird man oft die Möglichkeit auf relativ unbedrängte Schüsse von knapp vor dem 16er haben, weil Kiels Rückraumbesetzung durch die oft ein wenig chaotischen Rückwärtsbewegungen eher mangelhaft ist. Dazu hat man auf den Flügeln meistens enorm viel Platz, eben weil Kiel vor allem den Strafraum verteidigt, was Rossipal genug Zeit geben wird, sich den Ball zurechtzulegen, sollte es nicht direkt aus dem Umschaltspiel funktionieren.
Deswegen sei hier auch nochmal gesagt: das soll nicht einfach nur stupider Konterfußball mit langem gebolze sein, sondern es soll die Schwächen der Kieler ausnutzen. Wir werden diese Mannschaft spielerisch nicht dominieren, deshalb müssen wir es in den wichtigen Bereichen in den Zweikämpfen tun. Dann sind sie auch verwundbar